Mein Weg zum Ironman - Ein Traum wird wahr in Italien
Veröffentlicht: 18. Oktober 2024
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Dirk, du bist ein IRONMAN! – Diese Worte in Italien zu hören, war ein unvergesslicher Moment für mich. Italien war das Lieblingsland von Sophie, der Tochter meiner Partnerin Ulli. Sophie kämpfte bis zum Mai wie eine Löwin gegen ihre Krankheit und schaut nun von oben auf uns herab. Sie hätte sich so sehr über diesen Moment gefreut.
Die gesamte Vorbereitung auf den Ironman absolvierte ich allein, mit einem wöchentlichen Trainingsaufwand von 12 bis 18 Stunden in den letzten drei Monaten vor dem Wettkampf. Beim Laufen nutzte ich oft meine 5-km-Hausrunde an der Elbe und absolvierte auch drei Läufe über 30 km. Das Radtraining fand größtenteils auf der Rolle statt, mit dem Höhepunkt einer 180-km-Fahrt zu Hause in den eigenen vier Wänden und einigen wenigen Ausfahrten mit dem Triathlon Rad. Das Schwimmtraining blieb eher stiefmütterlich, mit nur 1-2 Einheiten pro Woche. Mein Favorit: 500-Meter-Intervalle rund um die Insel im Pratzschwitzer See.
Für mich ging es von Anfang an nur um eines: das Ziel erreichen, das Finishen. Es war die größte sportliche Herausforderung meines Lebens, und jede Sekunde auf dem Weg dorthin war von besonderen Erlebnissen geprägt.
Anreise nach Cervia – Die Tage vor dem Wettkampf
Am Mittwoch vor dem Wettkampf reisten wir nach Cervia. Die Fahrt dauerte bei Regenwetter ganze 14 Stunden. Am Donnerstag ging es in der Emilia Romagna mit heftigen Regengüssen weiter, sodass die Radstrecke teilweise unter Wasser stand. Trotzdem nutzte ich die Gelegenheit für einen lockeren 7-km-Lauf im strömenden Regen. Danach ging es direkt zur Registrierung, während sich Cervia immer mehr mit Triathleten füllte. Am Abend stand das Race-Briefing auf dem Programm.
Freitag wurde das Wetter besser, und ich wollte endlich wieder auf das Triathlon Rad steigen. Doch es blieb bei einer kleinen Runde von 7 km. Das geplante Schwimmtraining fiel aufgrund hoher Wellen aus. Stattdessen verbrachte ich meine Zeit damit, Massen von Treibholz aus dem Wasser zu fischen. Zu diesem Zeitpunkt schien das Schwimmen am nächsten Tag völlig unvorstellbar. Doch ich vertraute dem Wetterbericht, der perfektes Triathlonwetter versprach und den Organisatoren. Am Abend war der Bike-Check-in, und mein Rad fand seinen Platz in unmittelbarer Nähe zu unserem Hotel.
Die Anspannung stieg minütlich, und die Nacht sollte kurz werden, geplant bis 4 Uhr. Besonders aufregend war die Unsicherheit, ob der Akku meiner elektrischen Gangschaltung am Rad noch ausreichend geladen war, da ich dies nicht vorab überprüft hatte. Vor dem Start konnte ich mir schließlich die Entwarnung holen – der Akku war geladen und einsatzbereit.
Der Wettkampf – Schwimmen in der Adria
Der nächste Morgen brachte tatsächlich die erhoffte Wetterbesserung, und die Bedingungen für das Schwimmen in der Adria hatten sich stabilisiert. Nach einem kleinen Frühstück im Hotelzimmer – das offizielle Frühstück gab es erst ab 6 Uhr – prüfte ich noch einmal mein Rad und machte mich auf den Weg zum Strand. Dort erwartete uns ein beeindruckendes Schauspiel: Am Horizont ging die Sonne als gigantischer Feuerball auf und tauchte die Küste in warmes Licht. Das Meer war leicht wellig, aber die Bedingungen sahen gut aus für das bevorstehende Schwimmen.
Als ich in der Startzone stand, umgeben von 2.500 anderen Sportlern, und die italienische Nationalhymne gespielt wurde, wurde mir plötzlich die Dimension meines Unterfangens bewusst. All die Monate der Vorbereitung, die vielen Stunden Training – alles führte zu diesem einen Moment. Aber umkehren war keine Option. Die Herausforderung wartete, und ich war bereit, ihr entgegenzutreten.
Nach dem Start ging es auf das Meer, und es gab doch herausfordernde Wellen zu durchschwimmen. Ich nutzte meine guten Kenntnisse und schwamm einige Passagen auf dem Rücken, was ich auf Mallorca ausführlich geübt hatte. Nach der ersten Boje, parallel zum Ufer, wurden die Wellen dann weniger. Doch dann passierte ein Malheur mit meinem Neoprenanzug: Nach einigen Hundert Metern begriff ich, was sich so komisch anfühlte. Der Reißverschluss war geöffnet, und ich war wahrhaftig geflutet. Glücklicherweise konnte ich das auf dem Rücken schwimmend beheben, und von da an hatte ich richtig Spaß.
Auf dem Rückweg, parallel zum Ufer und gegen leichte Strömung schwimmend, erlebte ich so viel Freude wie noch nie im Freiwasser. Es war ein unglaubliches Gefühl, diese Strecke mit Leichtigkeit und Freude zu meistern. Nach 59 Minuten und 17 Sekunden (Pace: 1:33 min/100m) stieg ich vor tausenden begeisterten Zuschauern aus dem Wasser. Der erste Teil war erledigt, und es sollte im Nachhinein mein tollster Abschnitt sein.
Wechsel zum Radfahren – Auf in die 180 km
Die Wechselzone ist fast 700 Meter lang. Nach dem Ablegen des Neoprenanzugs und dem Anziehen der Radschuhe lief ich in Richtung Rad. Plötzlich kam Ulli vom Meer angerannt und feuerte mich an. In diesem freudigen Moment lief ich allerdings an meinem Rad vorbei! Also drehte ich um und holte mein Rad. Nach reichlich 7 Minuten war ich endlich auf dem Rad. Das Radfahren war für mich immer noch eine Herausforderung, und davor hatte ich den größten Respekt. Ich wollte mich ausschließlich auf mich konzentrieren, obwohl ich wusste, dass mich im Laufe der 180 km enorm viele gute Radfahrer überholen würden.
Mein Ziel war es, nicht mehr als 160 Watt zu treten, außer beim zweimaligen Anstieg nach Bertinoro. Dieses Ziel gelang mir. Bei dem ansonsten flachen Kurs ging es vor allem darum, mich permanent zu verpflegen. Dies machte ich nach einem festen Plan mit flüssigen Kohlenhydraten, Gels und Riegeln. So vergingen die 6 Stunden und 14 Minuten (Pace: 28,9 km/h), und ich fühlte mich beim Wechseln in die Laufschuhe noch gut. Natürlich war das Laufen in der Wechselzone noch wie auf Eiern.
Der Marathon – Der letzte Kampf
Nach ca. 5 Minuten kam ich aus der Wechselzone. Mein Ziel war es, im Marathon niemals zu gehen und auch an den Verpflegungsstationen im Laufen zu bleiben. Der erste Höhepunkt war, als ich Ulli zum ersten Mal an einem absoluten „Stimmungsnest“ sah. Daumen hoch von mir! Der Marathon konnte beginnen.
Anfangs lief ich mit den geplanten 5:40 Minuten pro Kilometer an, merkte aber schnell, dass das Tempo leicht langsamer wurde und mein Puls in kleinen Schritten sank. Ich war im Fettstoffwechsel drin. Nach der ersten von vier Runden lief ich um die 6 Minuten pro Kilometer. Doch ich spürte, dass jetzt der große Kampf begann. Ab etwa 17 km traten Magenkrämpfe auf, die ich schon von der Mitteldistanz vor wenigen Wochen kannte. Ich musste das ignorieren, auch wenn es sicher nicht förderlich war. Daher entschied ich mich, keine weiteren Gels mehr zu konsumieren und beschränkte mich für den Rest des Rennens auf Wasser und ganz kleine Mengen Iso.
Ab der dritten Runde reduzierte sich die Geschwindigkeit noch weiter, und ich begann zu rechnen: Wie langsam durfte ich noch werden, um unter den von mir geliebäugelten 12 Stunden zu bleiben? Das war bis zum Ende meine Kopfaufgabe, und irgendwie vergingen die restlichen Kilometer dann auch. Die unglaublich vielen und lauten Zuschauer nahm ich kaum noch wahr und war in meinem eigenen Tunnel. Ich wusste jetzt, ich werde das Schaffen. Mehr Kampf konnte nicht mehr kommen.
Ich absolvierte den Marathon schließlich in 4 Stunden und 24 Minuten (Pace: 6:17 min/km). Dann war es so weit, und ich lief aus der Runde in Richtung Ziellinie. Dort begann ich zum ersten Mal zu lächeln, und es fühlte sich auf einmal alles leicht an. Ich lief auf den roten Teppich zu, die Sonne ging langsam unter, und es herrschte eine irrsinnige Beleuchtung sowie ohrenbetäubender Lärm von Zuschauern und Musik. Leider konnte ich meine Ulli unter den Zuschauern nicht erkennen.
Ich war wenige Meter vor dem Ziel, riss die Arme hoch, und nach 11 Stunden und 47 Minuten lief ich ins Ziel. Die Worte „Dirk, you are an Ironman!“ werde ich mein Leben nicht vergessen. Die Emotionen sind nicht zu beschreiben. Als ich meine Liebste dann sah, fiel ich weinend in ihre Arme. Die Geschehnisse der letzten 10 Monate, die Vorbereitung und das Rennen selbst hatten ihre Spuren hinterlassen.
Am Abend habe ich auf die Frage, ob ich das wiederholen möchte, niemals gesagt. Am nächsten Morgen dachte ich dann schon: "Warum nicht?"
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Viel Freude beim Lesen wünscht Euer
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Dirk Püschmann​